Ravel, Introduction et Allegro

Maurice Ravel: Introduction et Allegro (1906)

Maurice Ravel hat das Introduction et Allegro für Harfe, Flöte, Klarinette und Streichquartett geschrieben – eine seltene Besetzung. Er selbst hat
davon eine Fassung angefertigt, die sich hervorragend auf zwei Klavieren spielen lässt und von berauschender Klangfülle ist. Dieses wunderbare
Werk verbindet Ravels luziden Klassizismus mit einer aussergewöhnlichen klangvollen, warmen Tongebung.

Ravel war stets ein neugieriger und experimentierfreudiger Komponist: er sog die verschiedenen Musikstile seiner Zeit auf (wie Jazz, Impressionismus, tzigane-Musik, Spätromantik, Bitonalität, motorische Rhythmen etc.), liess sie in seine Werke fliessen, aber stets so, dass sie in seinem klaren, klassizistisch geprägten Stil aufgingen.

Im Introduction et Allegro verarbeitet Ravel Wagners spätromantischen Ton, greift die Stimmung des Jugendstils mit seiner Ornamentik, seinen
Manierismen und Exotismen auf (China- und Japankult), knüpft an den von ihm verehrten Camille Saint-Saëns an, der schon früher exotische Elemente in seine Musik aufgenommen hatte (z. B. im 5. Klavierkonzert oder im caprice arabe für zwei Klaviere) und sie dabei in eine vollendete
klassische Form und einen makellos präzisen Tonsatz goss.

Die langsame Introduction bringt ein zartes, gleichsam frühmorgendliches Thema, das von Arpeggio-Schleiern umworben wird. Nach einem
ersten, üppig fliessenden Klanghöhepunkt eröffnet das Allegro mit dem lyrischen Hauptthema (in Ges-Dur), einer Abspaltung des Introduction-
Themas. Der Seitensatz bringt ein tänzerisches Thema (in B-Dur). Bald erleben wir die schwüle Stimmung eines orientalischen Harems, das
Hauptthema legt sich in einer Vergrösserung über das Tanzthema, beide Themen verschmelzen zu einem Bauchtanz mit orgiastischem
Höhepunkt, der in eine Cadenza mündet. Es folgt die Reprise. In der Coda verwandelt sich das zweite Thema in einen zierlichen fernöstlichen
Tanz, der sich in das reine Fliessen des Hauptthemas auflöst.