Poulenc, Sonate pour deux pianos

Francis Poulenc: Sonate pour deux pianos (1953)

Francis Poulencs Sonate für zwei Klaviere zu erleben kommt einem Abenteuer gleich. Wie auf einer Reise begegnen wir vielen verschiedenen Landschaften, gegensätzlichen Stimmungen, erfahren Bewegung, Hektik, Taumel, tauchen ein in Ruhe, nehmen Teil an grossartigen Visionen. Die Musik reicht von überschäumender Lebensfreude, frechem Witz, pfiffigen Melodien, Mozart-Erinnerungen bis hin zu asketischer Sprödheit, melancholisch-entrückter Weltentsagung, glühender Ekstase und der Erfahrung tiefer Gläubigkeit.

Der dritte Satz (Andante lyrico) ist der Kern des ganzen Werkes. Hier spricht Poulenc Wesentliches und Tiefes aus. Aus ihm heraus entwickelt er die anderen Sätze. Poulenc hat die Form der Sonate seinen Bedürfnissen angepasst und modernisiert. Zwar ist das Werk, der Tradition folgend, viersätzig, aber sonst arbeitet Poulenc nicht mit den überlieferten Formbauteilen. So ist der erste Satz kein Sonatenhauptsatz, sondern eine A-B-A-Form. Dieses Muster findet sich auch im zweiten und im vierten Satz. Poulenc verarbeitet die Themen nicht, gestaltet keine Übergänge oder Entwicklungen, sondern stellt die Melodien in scharfem Kontrast nebeneinander. Mit einer Art Leitmotivtechnik verbindet er alle Sätze miteinander.

Die ganz eigene Harmonik bringt dissonante Schärfe, Polytonalität, Formeln und Floskeln aus Vaudeville- und Chansonliteratur, Nonenakkorde und C-Dur-Dreiklänge von berauschender Schönheit. Indem Poulenc Dissonanz und Wohlklang unvermittelt gegeneinander stellt, steigert er ihre Wirkung und erzeugt eine unerhörte Klangintensivierung.